Das sind fast philosophische Fragen. Angst und Sorge oder Besorgnis sind natürlich keine klar voneinander trennbaren Konstrukte, sie können ineinander übergehen.
Was ich wichtig fände, um über dieses interessante Thema zu sprechen, wäre, die Begriffe "die Schwachen" und "die Starken" zu klären.
Wann gehört jemand für mich zu einer dieser Gruppen? Und gibt es nur diese zwei Sorten Menschen?
Worin besteht die Stärke und worin die Schwäche? Wann ist jemand stark und wann schwach?
Ich fasse die Fragen so auf, dass mit stark und schwach eher psychisch stabil und instabil gemeint ist.
Angst zu haben, kann absolut notwendig sein, das wissen wir alle aus dem Straßenverkehr. Wer vor tatsächlich gefährlichen, objektiv gefährlichen Situationen keine Angst hat, wäre für die begrenzte Lebensspanne, die ihm oder ihr bei diesem Mangel bliebe, sehr anders als alle anderen. Man kann auch sagen: verrückt.
Ängste haben eine Funktion, sie sollen Menschen schützen. Wenn jemand aber häufig Angst vor Dingen oder Situationen hat, von denen keine reale Gefahr ausgeht, ist das neurotisch, um es mal altmodisch zu sagen.
Angst und Stress sind sehr eng verwandt. Wer besonders ängstlich ist, empfindet in Situationen, die andere nicht im Ansatz "jucken", Stress.
Ängstliche Menschen sind aber oft besonders sensibel, auch für andere, und das ist in meinen Augen eine Stärke.
Es gibt Grade der Ängstlichkeit, die zu Angststörungen führen, Phobien, Panikattacken, Zwänge, paranoide Zustände, generalisierte Ängste, also Ängste, die sich vom ursprünglichen Gegenstand der Angst auf alle möglichen anderen Situationen erweitern.
Depression und Angst sind auch so etwas wie siamesische Zwillinge.
Zu viel Angst macht krank. Zu wenig macht verrückt. Ein zu wenig ängstlicher Mensch, im Extremfall zum Beispiel ein Psychopath, ist gefährlich. Ein zu ängstlicher Mensch kann für sich selbst und seine Umwelt zur "Last" werden.
Ich stimme Opa Schlumpf in vielem zu. Angst zu haben ist natürlich. Die Frage ist aber, wie man mit wiederkehrender Angst umgeht, die nicht mit einer konkreten, realen Ursache zu tun hat. Angst kann sich verselbstständigen und dann sozusagen das Steuer übernehmen.
Ich finde, Angst sollte, um beim Bild des Autofahrens zu bleiben, auf dem Rücksitz sitzen. Sie kann ruhig da sein, aber sie sollte nicht das Leben beherrschen dürfen.
Sorge ist ja auch im Wort Fürsorge enthalten und beschreibt etwas Vorausschauendes. Wer sich sorgt, wendet in Kombination aus Sorge und Vorsorge oder Fürsorge den Schaden, den er/sie befürchtet durch strategisch kluges Verhalten von sich und anderen ab.
Sorglosigkeit ist wie die Abwesenheit von Angst auch etwas verrückt. Wenn man sich über alles Sorgen macht (es gibt tatsächlich eine psychische Störung, die Grübelzwang heißt), beeinträchtigt das die Handlungsfähigkeit und man versinkt im drohenden Elend.
Auch hier ist es wichtig, zwischen begründeten und nicht begründeten Sorgen zu unterscheiden. Wenn man viele unbegründete Sorgen hat, können daraus ebenso unbegründete Ängste entstehen.
Das Thema ist sehr komplex. Es gibt sicher Kilometer von Literatur dazu.
Wir brauchen Ängste und Sorgen und wir müssen lernen, sie zu zähmen, wenn sie überschießend werden.
Ich selbst bin ambivalent bei diesem Thema. Insgesamt bin ich eher vorsichtig und manchmal auch zu ängstlich, aber ich überlasse der Angst nicht die Regie. Dafür neige ich manchmal und in manchen Bereichen zu einer Sorglosigkeit, die schädlich werden kann, mit der es sich aber leichter leben lässt. Manchmal bin ich so ängstlich, dass es mir feige vorkommt, dann wieder mutiger als andere. Zu viel Mut ist wiederum Übermut.
Wie in so vielen Bereichen des Lebens bestimmt die Dosis das Gift.