Endlich ist richtig Winter. Der Schnee fällt in dicken Flocken aus dem fast schwarzen, nächtlichen Winterhimmel. Ich komme gerade von der Futterstelle in der Feldmark. Das Wild findet zwar immer noch genug Futter aber ich habe ein besseres Gefühl, wenn ich weiß, das es den Tieren in Notzeiten entsprechend gut geht. Bei der naßkalten Witterung verbrauchen die Tiere mehr Energie. Ein voller Bauch friert nun mal nicht so leicht. Auch ich habe mich, bevor ich aufgebrochen bin mit einem großen Eiergrog gestärkt. Der Wind treibt mir den noch nassen Schnee ins Gesicht. Solange die Kleidung trocken bleibt, stört mich die Kälte nicht. Ganz im Gegenteil. Wenn ich die Natur und die Elemente spüre, überkommt mich immer eine unbändige Lebensfreude. Das war schon immer so bei mir.
Schon als Kind mußte ich morgens, vor der Schule zum Bauern gehen, und Milch holen. Im Winter habe ich mich oft durch den Schnee kämpfen müssen. Als Kind habe ich das wenigstens so empfunden. Wer die Winter im Südoldenburgischen, in den Fünfziger und Sechziger Jahren erlebt hat, der weiß wo von ich rede. Zuhause angekommen, schmeckte das Frühstück gleich besser. Die frische Milch wurde damals nicht gleich verarbeitet sondern in eine flache Schüssel gegossen und bis zum Mittag stehen gelassen, damit sich der Rahm absetzt. Der wurde dann mit der Rahmkelle abgeschöpft und in dem Rahmtopf aufbewahrt. Der Rahmtopf, war ein Kännchen aus Steingut. Beige mit einer großen Blume auf jeder Seite. Es war sehr alt und gehörte vormals meiner Großmutter. Die Zeit hatte sich mit vielen Abplatzungen und mit einem kleinen Sprung an dem Kännchen verewigt. Als meine Großmutter nach Hannover zog wurde Das Kännchen achtlos auf den Müll geworfen. Mein Vater schaffte den Müll fort. Am nächsten Tag stand das Kännchen bei uns auf der Fensterbank. Mein Vater hat es nicht übers Herz gebracht es weg zu werfen. So diente es uns, viel Jahre als Rahmtopf.
Später, als wir die Milch vom "Milchmann" geliefert bekamen, wurde es eigentlich nicht mehr gebraucht. Es diente uns als Blumenvase, oder zum Wasserschöpfen. Einmal hat meine Mutter auch im Streit, den Rahmtopf nach meinem Vater geworfen. Der konnte ihn aber auffangen, so das er uns weitere Jahre viele gute Dienste leistete. Als wir ende der sechziger Jahre nach Oldenburg zogen wollte meine Mutter es mit dem Müll entsorgen, aber als wir die Kartons auspackten, war wie ein Wunder der Rahmtopf wieder da. Meine Mutter war am maulen, mein Vater aber grinste vor sich hin. Einige Jahre stand der Rahmtopf als Luftbefeuchter auf dem Blumenfenster.
Voriges Jahr im Februar ist mein Vater leider gestorben. Ich räumte das Haus aus weil es verkauft werden soll. Im Keller, in einem Regal fand ich den Rahmtopf und beim Anblick überkam mich ein wohliges und warmes Gefühl. Ich dachte an meine Kindheit zurück und mir wurde ganz warm ums Herz. Natürlich nahm ich den Rahmtopf an mich. Er leistet mir in der Küche immer noch gute Dienste. Er hat zwar immer noch mehr Macken und Schrammen bekommen aber das habe ich ja auch. Auch ich bin von den Jahren gezeichnet und habe in meinem Leben viel Schrammen und Narben erhalten, die mich zu dem gemacht haben was ich heute bin.
Die Ahorn Bäume, die ich vor ca. 35 Jahren gepflanzt habe tauchen als schwarze Schatten vor mir auf. Gleich bin ich Zuhause. Seltsam, was für Gedanken einem im Kopf herumgehen, wenn man mit sich alleine ist. Ich freue mich jetzt auf mein Kaminfeuer und einen schönen heißen Teepunsch.
Beginne jeden Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir.