Mein Norden
Heute stimmt wirklich alles. Es ist
Sonntag, herrlicher Sonnenschein, und meine Kinder passen auf meine
Frau auf. Ich habe Frei. Seit Monaten bin ich dabei mein Haus
behindertengerecht um zu bauen. Dann noch die Pflege meiner Frau.
Manchmal weiß ich nicht mehr wo mir der Kopf steht. Eigentlich
müsste ich mich auf meine kleine Bank am Ende meines Grundstücks
setzen. Dort erhole ich mich am besten. Doch die Bank ist frisch
gestrichen. Also werde ich die freien Stunden für eine kleine Tour
mit meinem Motorrad nutzen. Der Fahrtwind drückt unbarmherzig auf
die Brust und die Beschleunigung zerrt an meinen Armen. Dazu die
herrliche, flache Landschaft hier im Norden. Ich war schon an vielen
Orten dieser Welt, aber ich kann mir keinen Ort der Welt vorstellen,
an dem ich lieber lebe. Obwohl ich mir kein besonderes Ziel gesucht
habe stehe ich wieder an meinem Lieblingsplatz. Am oberen Rand des
Schweinskopfes im Speicherkoog. Dort benutze ich den „Schafsweg“,
um direkt auf den Deich zu fahren. Es wird Zeit für mein Frühstück.
Ich habe ein Stück selbstgemachten Schafskäse und ein Brötchen
mitgenommen. Während ich esse und die Seeluft genieße, muss ich die
Möwen abwehren, die mir mein Frühstück abjagen wollen. Erst als
ich den letzten Bissen im Mund habe ist Ruhe. Mich überkommt eine
große Lust zum Schwimmen, aber daraus wird wohl nichts. Es ist Ebbe.
Es riecht nach Salz und nach Seetang. Eigenartig, wie sich der Geruch
ändert. Bei Flut riecht es hier nach Jod und Ozon, bei Ebbe, nach
Tang und Amonium, welcher in kleinen Bläschen aus dem Schlamm
blubbert. Austernfischer und die Strandläufer stochern im Watt nach
Krebsen und Krabben. Mein Blick wandert zum Horizont, wo sich Himmel
und Erde treffen. Dabei überkommt mich ein Gefühl von Weite. Der
Wind ist ganz eingeschlafen. Jetzt höre ich ganz deutlich wie das
Watt knistert. Man fühlt sich ganz klein in dieser herrlichen Natur.
Ich mag die klare Luft, das einmalige Grün die strahlend weißen
Wolken, das platte Land mit seinen schnurgeraden Straßen, die
stillen und etwas sturen Menschen, deren gesamter Wortschatz bei
Besuchen aus „Moin, Köhm,“ und „iss wer dodblem?“ besteht,
und die erst beim Weggehen ihren Grund für den Besuch nennen. Und
die Stürme. Wobei ein Sturm bei uns erst ein Sturm ist, wenn die
Schafe keine Locken mehr haben. Das ist mein Norden. Es gibt keinen
Ort auf dieser Welt wo ich lieber leben würde. So, nun geht es zum
Deichwirt, einen Eiergrog trinken. Zu spät darf ich auch nicht nach
Hause kommen. Ich muss heute noch Eier färben. Die nächste Woche
bin ich damit beschäftigt die Eier an meine Enkel zu verteilen. 13
Enkel habe ich inzwischen. Es soll ja nicht in Stress ausarten.
Ich wünsche euch allen ein schönes
und ruhiges Osterfest.
Manfred
Beginne jeden Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir.